Das „Open Studio II: Art meets Oliveoil“ fand im Januar im Christopherushaus in Wangen statt. Die Künstlerein Margit Hartnagel und Ralf Randel vom Platanenblatt luden zu einer Begegnung von Malerei und Olivenöl in das Atelier ein.
Die Praxis der Kunst traf auf die Praxis der Lebensmittelherstellung, um gemeinsame Parameter hinsichtlich des Umganges mit Materie, Welt und Geist zu erforschen und sinnlich zu erfahren.
Ein Umgang, der nicht als Widerspruch verstanden wird, sondern zutiefst als wechselseitige Bedingung, die Lebendiges hervorbringt und Räume öffnet.
Auf ihrer Website schreibt die Malerin Margit Hartnagel: „Vor der leeren Leinwand sitzend, wartend, bis der Blick zur Ruhe kommt. Die Leere der Leinwand sehend. Nichts Vergangenes, nichts Zukünftiges. Keine Geschichten, Ideen, Vorstellungen, Konzepte, Wünsche. Nur Gegenwart, Präsenz. Jetzt. Dann beginnend, die Malerei. Oben und Unten mit gelben Streifen definierend. Mit unzähligen farbigen Lasuren, nass in nass, von oben, von unten, der Mitte angenähert. Bis ein Raum entsteht. Leer und voll, begrenzt und unbegrenzt. Von einem inneren Licht durchdrungen.“
Platanenblatt stellt hochwertiges Bio-Olivenöl auf Lesbos, Griechenland, her und verkauft Ernteanteile an Konsumenten in Deutschland. Platanenblatt e.V. nutzt den Ertrag aus dem Verkauf des Olivenöls für soziale Projekte in Griechenland und Deutschland.
In einem Dialog spürten die beiden dem Gemeinsamen nach: Geduld, inneres Schauen, die Suche nach dem kreativen Entstehen, dem Wartenkönnen ohne dabei wirtschaftliche Aspekte in den Vordergrund zu stellen. Nicht die Frage, wieviel Geld verdiene ich, sondern den Prozess des Entstehens, des Verwandelns, des Suchen und Forschens in den Vordergrund zu stellen ist bei beiden spürbar.
Margit Hartnagels Malerei stellt mich auf eine Probe. Mit zarten Farben forscht sie dem inneren Raum nach. Das fordert mich, vermutlich andere auch, denn zu sehen ist da nicht viel. Das gleiche gilt auch für das Olivenöl. Das sieht erstmal wie Olivenöl aus – aber dann: es schmeckt frisch, sehr frisch und verrät dadurch einiges über seine Herstellung und Herkunft.
Es wird „zum richtigen Zeitpunkt“ geerntet. Der will gefunden werden, den muss der Olivenbauer erspüren – zudem bringt der frühe, richtige Zeitpunkt weniger Geld, bzw. der Preis muss höher sein. Oder wie bei Platanenblatt durch eine Solidarische Landwirtschaft gesichert sein.
Margit Hartnagel hat Weihrauch als Bindemittel für ihre Pigmente gefunden – auf Lesbos finden wir den Weihrauch in den griechisch-orthodoxen Kirchen, in der Luft, auf der Grenze zum Orient.
Der biologisch-dynamische Anbau gibt der Erde etwas zurück, durch Präparate, durch die Kultivierung des Landes, durch Pflanzen unter den Olivenbäumen, durch die Sorgfalt und die Liebe.
Dem Geschmack des Öls nachspüren im Mund kommt dem Schauen der Bilder nahe. Da braucht es Zeit und Ruhe. Da ist ein „Nichts“, eine Mitte, aus der das Neue entstehen kann. Oder doch ein Geschmack mit Geschichten, Ideen, Vorstellungen, Konzepten, Wünschen. Und die Gegensätzlichkeit von beidem wird deutlich und dadurch wird wiederum ein Ganzes hergestellt.
Dieter Koschek
erschienen in jedermensch 694
https://www.margithartnagel.de
https://www.platanenblatt.de
Das Gemälde auf der Umschlagrückseite ist von
Margit Hartnagel