Juli 21, 2023

Von der Geldgier zu einer Ökonomie der Fürsorge

„Die Zukunft erneuern, unsere Freiheit erneuern – ein Same, ein Bauer, ein Garten, eine Mahlzeit, eine Gemeinschaft nach der anderen.

Die zahlreichen Krisen, mit denen wir konfrontiert sind, sind die Folgen der industriellen Landwirtschaft und des Giftkartells, das ein verzerrtes, nicht nachhaltiges und unfaires Nahrungsmittelsystems geschaffen hat, das auf Unwahrheiten und falschen Erzählungen beruht.
Aber wir können die Saat einer anderen Zukunft säen…
Wir können die Saat der Hoffnung, der Fürsorge und der Freiheit säen…
Wir können die Erde, unsere Bauernhöfe und unsere Ernährungsdemokratie erneuern.“

Vandana Shiva

Vandana Shiva hat für mich schon immer eine andere Sichtweise auf unser Leben und unseren Wohlstand gezeigt. Sie kritisierte bereits in ihren früheren Veröffentlichungen die industrielle Landwirtschaft mit den weltgrößten Konzernen Monsanto, Bayer und Syngenta. Und das immer aus der Sicht der indischen Bauern und der Frauen. Das Werk „Ökofeminismus“ von 1995, Neuauflage im AG SPAK Bücher- Verlag 2016, zusammen mit Maria Mies, zeigte schon damals eine andere Sicht auf unsere Welt.

In ihrem neuen Buch „Wahre Wirtschaft“ faszinierte sie mich mit ihrer radikalen Kritik des 1 %, ihre Metapher für die Herrschenden dieser Welt, und das sind dann nicht nur die Konzerne des Giftkartells, sondern auch BigTech, und andere Großkonzerne des Extraktivismus, die auf Kohle, Erdöl, Erdgas und anderen Mineralien beruhen.
Sie bezieht die Geschichte des Kolonialismus mit ein, als eine Grundlage der Plünderung des Planeten als eine heiligen Mission, gesegnet durch die katholische Kirche. Nicht nur aus indischer und indigener Sicht war der Kolonialismus eine großangelegte Ausbeutung, Plünderung und Diebstahls, verbunden mit Massenmord.

Und sie entlarvt die Theoretiker unserer modernen „Geldmaschine“ Bacon, Descartes und Adam Smith, die als weiße Männer, die die Lebendigkeit der Natur und des Menschsein negierten, ihre „Wirtschaftstheorien“ herausbrachten. Dabei haben sie wohlweislich die Kolonialisierung als weiße Überlegenheit über die „Primitiven und Eingeborenen“ gesehen und nicht als den rassistischen Raubzug Europas auf den restlichen Kontinenten dieser Welt.

Die Kritik Shivas ist ehrlich, emotional und radikal und erinnert uns europäischen Reformer, dass es Reformen nicht tun.

Ihre Ökonomie der Fürsorge beruht auf 9 Grundaussagen:

1 Die Erde ist lebendig. Wir sind Mitglieder der einen Erdenfamilie und haben die Pflicht, uns um andere Lebewesen zu kümmern und die Gaben der Erde mit ihnen zu teilen.

2 Die Rückgewinnung und Wiederbelebung der Gemeingüter in unserem gemeinsamen Haus ist unsere Verantwortung und unser Recht.

3 Das „Gesetz der Rückführung“, das Gesetz des Gebens und der Dankbarkeit, schafft Kreislaufwirtschaften der Gerechtigkeit und Dauerhaftigkeit.

4 Geben schafft Fülle, Nehmen schafft Mangel.

5 Miterschaffung und Rückgewinnung von Wissen: Gewaltfreie Wege des Wissens in einer selbstorganisierten Lebenswelt.

6 Koproduktion und Rückgewinnung der Wirtschaft: Ökonomien der Gegenseitigkeit, Solidarität und Kooperation anstelle von Wettbewerb, Ausgrenzung und Monopolen

7 Nicht Gier und Geld, sondern Fürsorge und Mitgefühl sind die Währung und der Fluss des Lebens, die das Netz des Lebens und der Gesellschaft zusammenhalten.

8 Vielfalt, Dezentralisierung, Demokratie

9 Die Autonomie und Kreativität unserer Körper als Erdenwesen zurückgewinnen: Körperliche Arbeit für die Erde und für die Gemeinschaft ist der höchste Ausdruck von Arbeit.

Im Buch führt sie diese Aussagen weiter aus und begründet sie. Und die vielfältige Bewegungen für Nachhaltigkeit, Umweltschutz und ein solidarisches Miteinander auf der ganzen Welt können sich darin wiederfinden. Ich denke dabei an die Gemeinwohlökonomie von Christian Felber, die ja ebenfalls neue Grundlagen für eine wahre Ökonomie erarbeitet hat. Auch er unterscheidet zwischen „Oikonomia“, dem Haushalten und „Chrematistik“, der Geldmacherei.

Für mich ist das Buch eine erneute Aufforderung weiter an den Alternativen zu arbeiten und eine regionale Kreislaufwirtschaft zu fördern.

Dieter Koschek
erschienen in jedermensch 705

Vandana Shiva Wahre Wirtschaft ISBN 978-3-89060-820-4 Verlag Neue Erde, 2022, 304 Seiten

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