Juli 21, 2023

Das Ende des Kapitalismus

Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind – und wie wir in Zukunft leben werden

Dass dieser Spiegelbestseller von Ulrike Herrmann überhaupt ein Bestseller ist, kommt wohl daher, dass das Buch versucht zu beschreiben, wie es wirklich ist – und es wirklich kommen wird. Also, das der Kapitalismus dafür gesorgt hat, dass es uns in Mitteleuropa gut geht. Zusammen, Kapitalismus und Staat, hat sich ein Wohlstand eingestellt, in dem wir es uns ganz gut eingerichtet haben.

Doch diesem Modell ist durch den von ihm verursachten Klimawandel ein Ende zuteil – und zwar bald. Denn Ulrike Herrmann beschreibt eindringlich, dass das systemimmanente notwendige „Wachstum“ nicht gelingen wird. Der earth overshoot day 2023 in Österreich war schon Anfang April erreicht. Dieses System verbraucht 8 Planeten – es sei erlaubt hinzuweisen, dass wir nur einen kennen.

Dass damit ein Ende des Kapitalismus auf jeden Fall kommen wird, ist einsehbar. Aber wie soll es dann weitergehen? Ebenso engagiert kritisiert Herrmann vernichtend, dass das sogenannte „grüne Wachstum“ eine Illusion ist, Ökoenergie ist teuer, langsam und wird nicht für die Wirtschaft, die wir heute kennen, reichen.

Also was tun?

Herrmann nimmt die britische Kriegswirtschaft von 1939 als Impuls auf, in welche Richtung wir denken müssen. Die britische Regierung hat um die Kriegswirtschaft zu mobilisieren, ein System einer gerechten Rationierung für alle eingeführt. Die Wirtschaft wuchs damals weiter, weil enorm viel Kriegsmaterial produziert worden ist. Es gab einen Feind, Deutschland, der Staat plante, die Wirtschaft blieb privat und alle mussten mit der Rationierung leben.

Wie das in unserem Land umzusetzen sein wird, bleibt erstmal offen.

Doch Ansätze werden angedacht. Der freie Markt wird es nicht richten – das muss schon der Staat machen.

Am Beispiel von Wassermangel infolge von Hitze und Dürren zeigt Herrmann, dass Wasser ein erstes Modell für Rationierung werden wird.

Die reichen Länder haben die Klimakrise durch ihre Emissionen zu verantworten. Und dort wiederum die Reichen. Die reichsten 10 Prozent der Menschheit emittieren 48 Prozent des gesamten CO2 . Bei den Emissionen wird es wohl auch um Rationierung geben. Eine Form davon gibt es bereits im sogenannten CO2-Budget. Das Ziel, um klimaneutral zu werden, ist eine Tonne pro Einwohner und Jahr. Das dürften die deutschen Reichen, die zur Zeit jährlich 117,8 t emittieren, nicht freuen. Wie das umzusetzen sein wird ist noch offen.
Auch die weiteren Impulse, die Herrmann setzt, (und die auch nichts neues sind) lauten: keine Flüge mehr, Autos nur noch für öffentlich Belange und eventuell noch Carsharing, Rationierung von Immobilien und von Fleisch.

„Rationalisierung klingt unschön. Aber vielleicht wäre das Leben sogar angenehmer als heute, denn Gerechtigkeit macht glücklich. Gesellschaften sind entspannter, gesünder und toleranter, wenn der Abstand zwischen Arm und Reich gering ist.“

Aber nicht nur im Konsumbereich wird der Staat eingreifen müssen, sondern auch in der Produktion. Wenn wir von knapper Öko-Energie ausgehen, werden etliche Branchen schrumpfen beziehungsweise eingestellt werden: Vor allem Luftfahrt, Banken, Versicherungen, Autofirmen und Chemieindustrie sind betroffen. Diesen ökologischen Umbau muss der Staat steuern und Millionen Menschen brauchen neue Arbeitsplätze.

Das Ziel dieses Umbaus ist eine Kreislaufwirtschaft, in der nur noch soviel produziert wird wie recycelt werden kann.

Doch Ulrike Herrmann vertraut für diesen Umbau nicht auf die Parteien unserer Demokratie. „Der Wandel kommt nie von oben, sondern immer von unten.“, sagt Ulrike Herrmann.

Also bleiben wir dran.

Ein informatives und lesenwertes Buch, das „grünes Schrumpfen“ durch staatliches Lenken andenkt und damit eine Möglichkeit andeutet, damit das Ende des Kapitalismus nicht in einem Desaster endet.
Eine starke Zivilgesellschaft ist dafür notwendig.

Dieter Koschek
erschienen in jedermensch 707

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