März 14, 2024

Den sozialen Wandel mitgestalten

Oweia. Das Schwerpunktthema macht mir zu schaffen, denn der Soziale Wandel scheint sich gerade zu verstecken. Seit der Corona-Pandemie gibt es keine Erholung für uns Menschen. Kaum war die Pandemie aus den Schlagzeilen, kam Kriegsgeschrei in Europa auf. Russland griff die Ukraine an und als Pazifist hielt ich schweren Herzen öffentlichen Schmähungen stand. Und mit dem Angriff der Hamas auf Israel und der Reaktion von Israel „Zerstörung der Hamas“ wurde es keinesfalls leichter.
Und zudem kriecht das faschistische Gespenst nicht nur in Deutchland aus seinen Löchern und bedroht schon das Bestehende. Wie kann dann Wandel weitergehen?
Aber vielleicht sehen wir das ganze aus einer falschen Perspektive. Vielleicht ist das ganze ja ein letzter Aufschrei des bestehenden kapitalistischen Systems und seiner Nationalstaaten. Jaroslav Langer hat es bereits 1988 in seinem Buch „Die Grenzen der Herrschaft“ angekündigt, dass machthierarchische Strukturen gegen ihr Ende brutaler und radikaler werden. Dem gegenüber hilft, sich Vorstellungen zu machen, wie es nach dem Ende der Herrschaft weitergehen kann. Mit Freude stelle ich fest, dass die Zahl von utopischen, gerechten und ökologischen Zukunftvisionen in der Literatur zunimmt und ich den Überblick (den ich aber nie wirklich hatte) verloren habe. Das macht mir Hoffnung und Zuversicht.
Eine der älteren Zukunftvisionen bildet die „Idee der Sozialen Dreigliederung“, der der „jedermensch“ seine Gründung verdankt. Auch wenn die tradtitionelle Entwicklung der letzten hundert Jahre lange dünkt, so sind doch seit der Studentenrevolution 1968 die Träger des Wandels klarer geworden. Die einzelnen Menschen und ihr gemeinsames Tun in den sogenannten „neuen sozialen Bewegungen“. Oder einfacher gesagt, die vielen Bürgerinitiativen in Deutschland und auf der ganzen Welt.
Auch wenn die Visionen der Vielen dabei auch auseinandergehen, so sind doch überall und immer wieder Grundzüge erkennbar.
Eines ist die Überwindung der Trennung des Menschen von der Natur, und von den anderen Menschen. Hier ist soviel erreicht worden. Die Natur, deren Teil wir sind, ist ins Zentrum der Politik gerückt, auch wenn in den Regierungen und den Machtzentren ein wirkliches Verständnis dafür noch fehlt. Die ökologischen Initiativen weltweit und der Kampf gegen den Klimawandel zeigen, dass sich das Verhältnis der Menschen zur Natur verändert hat. Gerade auch in unseren heutigen Krisenzeiten erkennen wir in der Natur immer wieder den Frieden und die Harmonie zwischen allen Beteilgten. Das macht uns Mut zum Weitermachen.
Gleichzeitig können wir erkennen, dass die parlamentarische repräsentative Demokratie nicht die endgültige Lösung ist. Parteien bleiben immer im Machtdenken verhangen. So ist es unsere Aufgabe diese Demokratie zu erweitern und durchlässiger zu gestalten. Dafür gibt es viele Ideen und Beispiele.
Darin liegt aber auch eine Gefahr. Wenn alle mitreden wollen, dann dauert alles länger und ohne Übung geht oft Gutgemeintes daneben. Gefährlich wird es zunehmend auch deshalb, weil wir unserer gewohnten Wahrnehmung des Geschehens durch die Medien nicht mehr vertrauen können. Zahlreiche Medien sind staatstragend und lesen sich immer öfters gleichgeschaltet. Daneben gibt es dann „alternative Medien“ (welch ein Hohn der Wortwahl), die Falschmeldungen und Manipulationen in hoher Geschwindigkeit in jedes Handy millionenfach tragen. Erschwerend kommt hinzu, dass wir nicht mehr wie bisher „unserem Journalismus“ als dritter Gewalt vertrauen können.
Heute müssen wir „selber denken“, aber auch dabei ist die Unterscheidung zwischen einem Denken zum Gemeinwohl und einem egoistischen Denken nicht mehr sicher. Worte werden mißbraucht und umgedeutet, wie es bei „Alternativ“ und „Gemeinwohl“ zur Zeit richtig Mode ist.
So wird es wieder wichtiger, selber zu denken. Was kann wahr sein? Was ist der Hintergrund für dies und das? Wie reagiere ich? Mit Geschimpfe und Hass, mit Gewalt und Ausgrenzung oder mit Humanität, Gerechtigkeit, Gewaltfreiheit und Solidarität?
Gerade bei den Protesten gegen die Pandemiemaßnahmen, aber auch gegen die Kriege in der Ukraine und Palästina stellt sich nicht die Frage: Bin ich für oder gegen jemanden? Kämpfe ich gegen die Hamas oder gegen die Nato? Es geht schlicht um die Menschlichkeit. Jeder ist ein Mensch, wo auch immer! Jeder ist dankbar für Emphatie und Verständnis. Und jede*r, der/die das nicht fühlt, bleibt im Kampf verhangen und findet keinen Weg aus den Konflikten und Krisen unserer Zeit.
Dieter Koschek

erschienen in jedermensch 710

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