August 30, 2021

Wirtschaften für die Zukunft

Der globalisierte Kapitalismus ist eine Sackgasse. Das wurde gerade in der Coronapandemie deutlich. Die weltweite Arbeitsteilung (von den 500 größten Konzernen gesteuert) funktionierte nicht und die Monopol- und Konzentrationsverhältnisse der internationalen Konzerne leugnen die Verpflichtung des Eigentums.
Weltweit spiegeln Initiativen das Bemühen um eine neue Wirtschaftsform, die die Bedürfnisse der Menschen befriedigt und dabei nicht die Schäden und Ungerechtigkeiten anrichtet, wie der neoliberale Kapitalismus im Besonderen.
Hier hat die weltweite Bewegung gegen den „freien“ Welthandel, die sogenannte Globalisierung geholfen. Beispiele aus der ausgebeuteten „Dritten“ Welt haben die Kritik wieder geschärft und die Frage nach Alternativen wieder aufgeworfen.
Ich möchte nun ein paar Gedanken zu einer menschen- und naturgemäßen Wirtschaftsweise einbringen. Drei grundlegende Dinge müssen sich hier ändern:

  1. Die Zielrichtung des Wirtschaftens muss eine dienende einnehmen, nämlich die Bedürfnisse der Menschen und Gesellschaften zu befriedigen.
  2. Die natürlichen Grundlagen des Lebens, der Natur und der Menschheit (Boden, Wasser, Luft, Stille, u.ä.) gehören der Menschheit und niemand kann unbeschränkt darüber verfügen.
  3. Die Notwendigkeiten, um die grundlegenden Menschenrechte (Geistige Freiheit, Menschenrechte, Erziehung, Bildung, Wohnen, Existenz) zu gewährleisten, können keine handelbare Waren sein.
    Das grenzt die Aktivitäten der heutigen Wirtschaft schon wesentlich ein. Nämlich das Produzieren auf bloßen Überfluss hin und der Raubbau der natürlichen Ressourcen. Wenn diese Grundlagen geschaffen wären, würden sich die Formen des Wirtschaftens wesentlich ändern.
    Nun kann man dies nicht einfach proklamieren und alles wird gut. Auch hier müssen viele kleine Schritte entwickelt werden und, wie das heute üblich sein sollte, auch angefangen werden, umzusetzen. Das passiert auch weltweit und die vielen Projekte derart wurden in unserer Zeitung ja schon ausführlich dargestellt.
    Zusammenfassend möchte ich deshalb weitere Grundlegungen, die meiner Meinung nach notwendig sind, um zu einer alternativen, solidarischen und ökologischen Wirtschaftsweise zu kommen darlegen.
    Ökologische Grundlagen:
    Die Klima- und Ökologiebewegung muss sich weiter entwickeln und versuchen gesetzgeberisch die ungehemmte Raffsucht der Wirtschaft einzudämmen, indem Ökologie zum Grundmuster des Wirtschaften wird. Aufgrund dieses Verständnisses kann es kein privates Eigentum an der Erde geben.
    Akteure: Klima- und Ökologiebewegung, Mietshäusersyndikat, Commonsbewegung…
    Soziale Grundlagen:
    Nicht alles kann Ware werden. So ist eine öffentliche Grundausstattung und Versorgung der grundlegenden Bedürfnisse notwendig. Etwa das Gesundheitswesen, das Bildungswesen, auch Wohnen, Sicherheit, das Geldwesen, soziale Sicherheiten u.ä. sind Aufgaben von Gemeinschaften. Hier haben private Unternehmen nichts zu suchen. Das bedeutet auch, dass „Kapital“ und „Geld“ öffentliche Güter sind.
    Akteure: Bürgerinitiativen, Demokratiebewegung, attac, campact, omnibus, INKA…
    Bedürfnisorientiertes Produzieren:
    Damit die Unternehmerschaft auch weiß, was sie zu tun, zu produzieren hat, muss die wahnsinnige Werbewirtschaft zu einer Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaft umgebaut werden. Als erstes müssen die Verbraucherorganisationen und -initiativen gestärkt werden, als die eigentlichen Auftraggeber der Produktion. Dazu muss eine neue Form einer Instanz gefunden werden, die die Produktion kontrolliert.
    Akteure: GWÖ, Verbraucherorganisationen, Greenpeace, VCD, Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaften, Solidarische Landwirtschaften, Kampagnen für Energie- und Agrarwende, …
    Der Mensch als IchSelbst – Abschaffung des Lohnverhältnisses:
    Das moderne Lohnsystem ist ein Sklavenhaltersystem. Damit sind nicht nur die modernen Formen der Sklavenarbeit gemeint, sondern durchaus auch unser europäisches Modell, in dem der Mensch ein Kostenfaktor ist. Hier muss der Arbeiter (die Arbeit) zum gleichberechtigten Faktor neben dem Unternehmer werden, etwa in die Richtung, dass (wenn’s denn sein muss) das Betriebsergebnis zwischen Unternehmer, Mitarbeitern und Gesellschaft gerecht geteilt wird. Die monatliche Ausschüttung muss ein Teil des Betriebsergebnisses sein. Aus dieser Veränderung ergibt sich ein neues Betriebssystem mit sozialen Gesellschaftsformen.
    Akteure: GWÖ, Mindestlohn, Grundeinkommen, Genossenschaften, Betriebsräte, Betriebliche Mitbestimmung, Kritische Aktionäre…
    Verfügungsrechte über Produktionsmittel –
    Zugriffsrechte der Gesellschaft:
    Dass der Staat nicht wirtschaften darf, ist nach den Erfahrungen des Staatssozialismus allgemein anerkannt, doch er muss die Einhaltung der oben genannten Grundsätze überwachen. Nicht Strafen oder Gebühren sind die Sanktionen, sondern der Entzug der Verfügung über die Produktionsmittel. Es muss also das Eigentumsrecht hier verändert werden, und zwar in der Richtung, dass Unternehmer zwar weiterhin über das Kapital und die Produktionsmittel verfügen und handeln können, aber nicht im luftleeren Raum, sondern unter der gesellschaftlichen Androhung des Verlustes dieser Verfügungsrechte bei Missachtung der „gesellschaftlichen“ Vorgaben. Verbot von Aktiengesellschaften und Kontrolle des Bankenwesens.
    Akteure: GWÖ, attac, Initiative Netzwerk Dreigliederung…
    Darüber hinaus bieten die Arbeiten von Peter Schilinski zur Sozialen Dreigliederung eine Menge weiterer Impulse zur Neugestaltung des Wirtschaftslebens. So gilt es diese neuen Vorstellungen eines neuen Wirtschaftens zu konkretisieren.
  • Produktionsmittel sind Gemeingüter
  • Ein menschliches Arbeitsmaß von 15 Stunden pro Woche
  • Umfassende kostenlose und lebenslange freie Bildung.
  • ein leistungs- und gemeinwohlorientierter „Leistungsvertrag“ zwischen Unternehmerinnen und Arbeiterinnen
  • die Einrichtung von Konsumräten
  • die Offenheit der „wirklichen“ Preise inklusive der sogenannten externen Kosten.
  • Abschaffung von Aktiengesellschaften
  • Neugestaltung von Unternehmenrechtsformen
  • Verbot der Zinswirtschaft
  • Vergesellschaftung des Bankenwesens
    Die politische Arbeit an den politischen Veränderungen ist wichtig und notwendig. Wir sollten aber daran nicht verzweifeln. Die meisten der oben genannten Vorschläge machte Rudolf Steiner vor 100 Jahren. Peter Schilinski arbeitete seit den 50er Jahren an einem Revival der Impulse der Sozialen Dreigliederung. Vieles davon ist heute noch Utopie.
    Doch in kleineren Bereichen gibt es viele Ansätze zur Umgestaltung unseres Wirtschaftssystems. Einige Organisationen und Initiativen sind ja im Text genannt.
    Ein Büchlein der Initiative „Neustart Schweiz“ bzw. von Fred Frohofer und Werner Vontobel mit dem Titel „Ökonomie der kurzen Wege“ brachte mir die Erkenntnis, dass es eine Möglichkeit ist, „die Wirtschaft“ getrennter zu betrachten. Neben der „reinen“ Marktwirtschaft gibt es ja auch die Bedarfswirtschaft in Familien und Nachbarschaften. Dazwischen liegt eine Bedarfswirtschaft innerhalb politisch organisierter Gemeinschaften, wie es z.B. der Staat darstellt, der kollektive Aufgaben der Bedarfsbefriedigung wahrnehmen kann.
    Neustart Schweiz propagiert Nachbarschaften bis zu 500 Menschen, die eine Solidarische Landwirtschaft, Gemeinschaftsküchen, Bibliotheken und andere Gemeinschaftseinrichtungen betreiben und somit etliche der oben angedeuteten Notwendigkeiten bereits in einer „Nachbarschaft“ praktisch umsetzen.
    Dadurch kann eine bedürfnisorientierte Lebensweise gestaltet werden, können die Lebenshaltungskosten gesenkt werden, menschlichere Rechtsformen entstehen, Tauschgeschäfte ohne Geld geschehen, Arbeitszeiten wirksam gekürzt werden, Gemeineigentum geprobt und entwickelt werden, ökologische Lebenstile erprobt werden, und vieles mehr.
    Und letztlich kann sich jeder einzelne Mensch verändern. Selbsterkenntnis und Menschenkenntnis üben, wie Peter Schilisnki dies nennt. Denn sonst habe die ganze politische Arbeit keinen Sinn.
    Das heißt aber auch, dass jeder einzelne Mensch in sich ein großes Übungsfeld für die ökonomische Utopie hat. Wer kennt schon seine Bedürfnisse wirklich, bzw. die Motive für seine Bedürfnisse.
    Aber so kann auch im Kleinsten begonnen werden, Alternativen und Utopien zu leben. Horte ich mein Vermögen oder leihe ich es (zinslos) an sinnvolle Projekte aus? Erschaffe ich mir ein Bewußtsein über die wahren Kosten der Konsumartikel, die ich brauche? Jede einzelne Utopie, jeder Impuls kann im Keinsten bereits erarbeitet und umgesetzt werden.
    Hier hat jeder Mensch die Möglichkeit sich zu prüfen und sich weiterzuentwickeln.
    Dieter Koschek
    erschienen in jedermensch 700

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