August 1, 2024

Kriegsregime und Konsumfrieden

Das Feuer einstellen! Diese Forderung gilt für alle Seiten. Und dies könnte eine Basis für eine breite Friedensinitiative sein. – Ja, aber der Zeitgeist weht in die andere Richtung. Kriegsregime! Das Wort beschreibt irgendwie die heutige politische Situation in der Bundesrepublik. Der Bundeskanzler ruft die Zeitenwende aus und liefert 100 Milliarden für die Bundeswehr. Die sich plötzlich in einem solch desolaten Zustand befindet, dass es das Geld braucht, um überhaupt wehrfähig zu sein, behaupten die Medien und Politiker unisono. Der „Verteidigungsminister“, der laut über eine Wiedereinführung der Wehrpflicht räsoniert, wird zum beliebtesten Politiker in Deutschland und der Kanzler baut seine Politik auf eine effiziente Rüstungsindustrie auf. Der Veteranentag zur Feier „unserer“ Soldaten setzt dem noch die Krönung auf.
Dagegen ist das Verleumden von Friedensaktivisten gerade lächerlich. Die taz brachte es fertig über die
Buchvorstellung von Jürgen Grässlin zu lamentieren, dass er keine Lösung für die heutigen Kriege habe –
ganz so als ob Grässlin nicht sein Leben lang für Abrüstung, gegen Rüstungsexporte gekämpft hat.
Ganz anders Konstantin Wecker, der bei der Buchvorstellung dabei war: „Jürgen Grässlins neues Buch
‚Einschüchtern zwecklos‘ erscheint genau zum richtigen Zeitpunkt. Gerade jetzt, wo uns die meisten
Politiker*innen, Medienschaffenden und die Waffenindustrie wieder einmal einzuschüchtern versuchen.
Wo jeder Gedanke an ein ‚Frieden schaffen ohne Waffen‘ als lächerlich oder gar gefährlich abgetan
wird, gerade jetzt brauchen wir dieses Buch zur Ermutigung. Ja, lieber Jürgen, ‚wir wollen uns wehren.
Für eine andere, lebenswerte, bessere Welt‘. Danke für dein Wirken und für dieses Buch“ , sagte der Liedermacher.
Wie weit muss die suggerierte Angst vor einen russischen Angriff auf Deutschland oder ein anderes NATO-Land bereits umhergehen, dass in der taz Friedensaktivisten geschmäht werden. Armes Deutschland!
Inzwischen werden Wortungetüme wie „kontextualisieren“ gebraucht, um über die Geopolitik der NATO
und die Entwicklungen bis zum Russischen Angriffskrieg überhaupt reden zu dürfen. Das Gleiche gilt
auch im Krieg Israels gegen die Hamas. In Deutschland ist jedes „kontextualisieren“ der Geschichte Israels
und Palästinas eine Gradwanderung geworden. In Berlin wurde ein Kongress Palästina mit Polizeigewalt
aufgelöst und verboten. Philosophinnen werden ausgeladen und geschmäht, Professuren werden
rückgängig gemacht, immer mit dem Argument des Antisemitismus. Armes Deutschland!
Und eine mutmaßliche Mehrheit der Bevölkerung findet das alles auch noch gut. Konsumfrieden meint,
das aus Angst vor Wohlstandsverlusten das Kriegsregime hingenommen wird. Es wird möglicherweise
nicht mehr alles gekauft werden können. Lieferketten und die betroffenen Waren – werden durch die Angriffe der Huthis auf Schiffe unterbrochen oder länger – und teurer. Um das zu verhindern wird eine deutsche Fregatte ins Rote Meer geschickt.
In Moskau sind etliche westliche Konsumketten abgezogen und verkauft worden. Jetzt liefern russische
Firmen die Konsumgüter. Dafür wird der Angriffskrieg gegen die Ukraine von großen Teilen der russischen
Bevölkerung hingenommen.
In vielen Gesprächen keimt allerdings ein „neuer“ Humanismus. Es werden die Menschen, ihre Würde
und ihre Rechte in den Mittelpunkt des Denkens und Handelns gestellt. Keine Feindbilder werden erstellt,
sondern Empathie mit den Opfern aller Seiten ist die Grundlage für politisches Handeln..
Dieter Koschek

jedermensch 711

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