September 5, 2025

Die Kraft der Vorstellungen

Zukunftsimpulse 3

Es ist nicht leicht eine gemeinsame Zukunftsvision zu erstellen, aber daran führt kein Weg vorbei. Die vielen Akteure der Zivilgesellschaft stehen vor der Aufgabe, eine Vision einer ökologischen, solidarischen und demokratischen Gesellschaft zu entwickeln. Dabei sind die Impulse der „Sozialen Dreigliederung“ hilfreich.

Eine Weiterentwicklung der Freiheit zu einem verantwortungsvollen Einbringen des Einzelnen in das Soziale ist weiter zu denken. Freiheit als ein „ich kann machen was ich will“ ist sowas von gestern. Freiheit in der Wissenschaft heißt ja nicht: Jedes gelungene Experiment ist eine neue Wahrheit. Wissenschaft heißt hier eher ein Fragen nach Grenzen einerseits und eine Offenheit für bislang unbekannte Gebiete, wie die Spiritualität, das Ablassen von sogenannten „Naturgesetzen“. Das bisher als kleinste Teil bezeichnete Atom besteht aus Wellen….

Eigentum verpflichtet, heißt es im deutschen Grundgesetz. Übermäßiges Eigentum des 1 %, der Superreichen und ihres Hofstaats, also der 10 Prozent, schadet der Gleichheit vor dem Recht immens. Und wenn diese Gleichheit aus wirtschaftlichen Interessen über Bord geworfen wird, ist es aus mit den Menschenrechten und der Demokratie. Ungeachtet dessen ist eine Weiterentwicklung der Demokratie immer nötig. Ein Überprüfen des Wahlsystems, der repräsentativen Demokratie der Parteien, die Volksgesetzgebung mit Partizipation und Bürgerräten sind der Humus für die Demokratie. Ein wirklich „souveräner“ Mensch ist notwendig, um Bürger und Bürgerin zu sein. Eine starke Zivilgesellschaft mit regionaler Autonomie in Städten und Kommunen ist für ein demokratisches Miteinander unverzichtbar.

Solidarität ist das Zauberwort in der Wirtschaft. Gemeinsam kann und wird mehr erreicht. Und gleichzeitig gehört die Solidarität mit anderen, nicht-menschlichen Wesen, den Tieren und Pflanzen und Landschaften dazu. Das bedeutet, dass unser Wirtschaften keine Ausbeutung der Bodenschätze, die Bedrohung der Artenvielfalt, der natürlichen Lebensgrundlagen allen Lebens beinhalten kann.

Solidarität heißt auch, dass keine Menschen hier und anderswo ausgebeutet werden wegen unserer imperialen Lebensweise.

Auf diesen Grundlagen muß eine zukünftige Gesellschaft beruhen und ich denke, dass wir hier trotz aller Bedrohungen, Krisen und Rückschlägen einfach unsere Haltung bewahren müssen. Dafür haben wir eine moralische Verantwortung. Das bedeutet auch, dass wir diese Moral, diese Werte entwickeln und pflegen müssen. Nicht nur in Visionen, sondern konkret im alltäglichen Leben.

Peter Schilinskis Erkenntnis, dass „Wahrheit und Liebe verbinden die einzige Möglichkeit ist, um positiv wirksam zu werden. Ohne das Erüben von Menschenerkenntnis, Selbsterkenntnis, Toleranz und gegenseitigem Interesse hat die ganze politische Geschichte kein Fundament“, führt uns zu der schweren Aufgabe, unser menschliches Denken, Fühlen und Handeln zu entwickeln, zu erproben und anzuwenden im menschlichen Miteinander.

Auch außerhalb der Dreigliederungs-Bewegung gibt es weiter Denker*innen, die sich eine „andere Welt“ vorstellen können. Den Ansatz des japanischen Philosophen Kohei Saito nenne ich „Grüner Kommunimus“ („Systemsturz – Der Sieg der Natur über den Kapitalismus“, dtv, 2023).

Dieser neue Kommunismus stellt eine Postwachstumsgesellschaft dar, die den Kapitalismus überwinden will. In den Mittelpunkt seiner Überlegungen stellt der die Produktion. Erst wenn wir hier die kapitalistische Profitmaximierung überwinden, die er als Übel der Ausbeutung von Mensch und Natur erkennt, dann ist das Entstehen einer gerechten Welt möglich. Er sieht hier viele Formen einer solidarischen Wirtschaft bzw. Produktionsweise. Die Orientierung an den Grundbedürfnissen der Menschen und eine Selbstverwaltung der Unternehmen setzt Saito als Voraussetzungen. Und er zeichnet eine bessere Welt mit Arbeiterselbstverwaltung. Er nennt es Gebrauchswertwirtschaft und grenzt es von der Wertwirtschaft ab. Die Aufgabe der Wirtschaft ist die Befriedigung von Grundbedürfnissen in bürgerverwalteten Unternehmen für Energie, Wohnen, Nahrung, Mobilität, was er auch Commons nennt.

Seine Beispiele einer weltweiten Bewegung für den Degrowth-Kommunismus im Buch sind mir weitgehend bekannt: Solidarische Ökonomie, Ernährungssouveränität mit bäuerlicher Landwirtschaft, Klimagerechtigkeit, also Solidarität mit den Benachteiligten des Klimawandels, Arbeiter*innen(Bürger*innen)selbstverwaltung, Energiegenossenschaften usw. Er überrascht mich allerdings mit weiteren konkreten Beispielen in aller Welt und zeigt damit auf, das diese Bewegung viel größer ist, als wir alle denken. Ich sage ja schon lange, dass diese Bewegung groß ist und Saito zeigt dies nochmal auf. Solidarische Unternehmen in den USA, japanische selbstverwaltete Kindertagesstätten, südafrikanische Klimaaktivist*innen, die Klimanotstand-Deklaration von Barcelona, die Bewegung der „Fearless Cities“ und andere.

Wenn also diese Bewegung zu einer großen Welle wird – durch eine globale Organisierung – dann wird die Macht des Kapitals in ihre Schranken gewiesen, die Demokratie wird neu ausgerichtet und eine dekarbonisierte Gesellschaft ist in Reichweite.

Das Buch von Kohei Saito macht mir in unseren dunklen Zeiten wieder Mut und Zuversicht, was wir gerade brauchen.

Dieter Koschek
veröffentlicht in Welle113

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