Die Parteienlandschaft ist weitgehend gleich geblieben. Die FDP hat ihren Preis für das Ende der Ampel bekommen, aber die beiden anderen Parteien, SPD und Grüne, ebenso. Der Einzug der „Linken“ ist gut für eine klare Sprache und eine starke Opposition.
Das Erstarken der AFD mit ihrem medialen Rummel bleibt natürlich der Schandfleck dieser Wahl, aber wenn die anderen „großen“ Parteien, vor allem der Wahlsieger, die CDU, bei ihrem Versprechen, nicht mit der AFD zu koalieren, bleiben, bleibt eine „republikanische Gelassenheit“ eine meiner Optionen.
Ruhig bleiben können wir dennoch nicht, denn weltweit ist ein Erstarken der populistischen, autokratischen Parteien und Regierungen zu beob-achten und zu beklagen. Die ersten Wochen der Trump’schen Regierung in den USA zeigen, welche Grausamkeiten die Geldelite mit ihren Konzernen für die jeweiligen Bevölkerung übrig haben. Die Abwicklung der USAID hat weltweit verheerende Folgen. Die angedrohten und vollzogenen Kündigungen in den staatlichen Behörden der USA stellen die Demokratie in Frage. Und die Verdrehungen der Wirklichkeiten (die Ukraine hat den Krieg begonnen; Europa ist mangels Demokratie gefährdet; …) sind unbeschreiblich. Und sie ziehen ja auch Kreise in der bundesrepublikanischen Politik. Die Sprache verwildert („die linken und grünen Spinner“, Merz), politische Gegner werden bedroht, den Organisatoren der „Gegen Rechts“-Demos soll die „Gemeinnützigkeit“ genommen werden. Und in Bayern gibt es ein Berufsverbot für eine Klimaaktivistin.
Meine Kritik an den Parteien bleibt hier aufrechtzuerhalten, siehe das Beispiel der Bewegungspartei, die Grünen. Einmal an der Macht kommt, bei den Kompromissen nicht wirklich was heraus. Und wenn die Partei der Friedensbewegung die Aufrüstung forciert, oweia.
Die Linke ist keine wirkliche Bewegungspartei, aus den Resten der SED, später PDS wurde mit Unterstützung linker Gewerkschaften und Sozialdemokraten die Partei „Die Linke“. Erst nach der Abspaltung des BSW suchte die Partei soziale Bewegungen und deren Unterstützung. Meiner Meinung nach fehlt hier eine Grundierung durch soziale Bewegungen. Es schimmert immer wieder noch das Parteiendenken durch und der interne Streit über die richtige Richtung, was bei Linken schon immer besonders beliebt ist.
Bei den vielen „Gegen-Rechts“-Demos in diesem Jahr waren um die zwei Millionen Menschen auf den Straßen. Das ist fantastisch und doch kommen immer die Fragen: Was hat es gebracht?
Ich sehe in den Verbänden und Vereinen, die diese Demos unterstützt, haben ein Potential für eine „Widerstands-Bewegung“, wenn sie in der Lage sind, sich von dem „Gegen-Rechts“-Standpunkt hin zu einer vielfältigen neuen sozialen Bewegung zu entwickeln. Ich weiß, wie schwierig es ist, eine gemeinsame Zukunftsvision zu erstellen, aber daran führt kein Weg vorbei. Die vielen Akteure der Zivilgesellschaft stehen vor der Aufgabe, eine Vision einer ökologischen, solidarischen und demokratischen Gesellschaft zu entwickeln. Dabei sind die Impulse der „Sozialen Dreigliederung“ hilfreich.
Eine Weiterentwicklung der Freiheit zu einem verantwortungsvollen Einbringen des Einzelnen in das Soziale ist weiter zu denken. Freiheit als ein „ich kann machen was ich will“ ist sowas von gestern. Freiheit in der Wissenschaft heißt ja nicht: Jedes gelungene Experiment ist eine neue Wahrheit. Wissenschaft heißt hier eher ein Fragen nach Grenzen einerseits und eine Offenheit für bislang unbekannte Gebiete, wie die Spiritualität, das Ablassen von sogenannten „Naturgesetzen“. Das bisher als kleinste Teil bezeichnete Atom besteht aus Wellen….
Eigentum verpflichtet, heißt es im deutschen Grundgesetz. Übermäßiges Eigentum des 1 %, der Superreichen und ihres Hofstaats, also der 10 Prozent, schadet der Gleichheit vor dem Recht immens. Und wenn diese Gleichheit aus wirtschaftlichen Interessen über Bord geworfen wird, ist es aus mit den Menschenrechten und der Demokratie. Ungeachtet dessen ist eine Weiterentwicklung der Demokratie immer nötig. Ein Überprüfen des Wahlsystems, der repräsentativen Demokratie der Parteien, die Volksgesetzgebung mit Partizipation und Bürgerräten sind der Humus für die Demokratie. Ein wirklich „souveräner“ Mensch ist notwendig, um Bürger und Bürgerin zu sein. Eine starke Zivilgesellschaft mit regionaler Autonomie in Städten und Kommunen ist für ein demokratisches Miteinander unverzichtbar.
Solidarität ist das Zauberwort in der Wirtschaft. Gemeinsam kann und wird mehr erreicht. Und gleichzeitig gehört die Solidarität mit anderen, nicht-menschlichen Wesen, den Tieren und Pflanzen und Landschaften dazu. Das bedeutet, dass unser Wirtschaften keine Ausbeutung der Bodenschätze, die Bedrohung der Artenvielfalt, der natürlichen Lebensgrundlagen allen Lebens beinhalten kann.
Solidarität heißt auch, dass keine Menschen hier und anderswo ausgebeutet werden wegen unserer imperialen Lebensweise.
Auf diesen Grundlagen muß eine zukünftige Gesellschaft beruhen und ich denke, dass wir hier trotz aller Bedrohungen, Krisen und Rückschlägen einfach weiter machen müssen. Dafür haben wir eine moralische Verantwortung. Das bedeutet auch, dass wir diese Moral, diese Werte entwickeln und pflegen müssen. Nicht nur in Visionen, sondern konkret im alltäglichen Leben.
Peter Schilinskis Erkenntnis, dass „Wahrheit und Liebe verbinden die einzige Möglichkeit ist, um positiv wirksam zu werden. Ohne das Erüben von Menschenerkenntnis, Selbsterkenntnis, Toleranz und gegenseitigem Interesse hat die ganze politische Geschichte kein Fundament“, führt uns zu der schweren Aufgabe, unser menschliches Denken, Fühlen und Handeln zu entwickeln, zu erproben und anzuwenden im menschlichen Miteinander.
Erst dann gibt es die Chance, unsere Gesellschaft zukunftsfähig zu machen. Gerne nehme ich an, dass die zivilgesellschaftlichen Kräfte eine gemeinsame Vision entwickeln, aber ich sehe auch, wie schwer es ist, mit Andersdenkenden (oder besonders auch Gleichdenkenden) im Dialog zu sein und zu bleiben.
Gerne sähe ich ein verstärktes Miteinander der Projekte und Initiativen, aber oft genug ist ein einzelner Mensch mit seinen Sorgen und Fragen, der nicht wirklich ‚gehört‘ wurde, ein Stolperstein für ein gelingendes Miteinander.
Es geht also nicht darum, eine Partei zu wählen, sondern darum, menschliche Werte und eine soziale Wertschätzung und Respekt zu entwickeln bzw. um zu leben. Im Kleinsten wie in der Weltgemeinschaft.
Dieter Koschek
veöffentlicht in jedermensch Nr. 714