Der Bauernkrieg 1525 ist ein historisch wichtiges Ereignis, das sich von Südwest-deutschland aus, von Oberschwaben über Württemberg, Franken und Thüringen bis nach Mitteldeutschland gezogen hat. Er war die erste europäische Massenbewegung vor der Französischen Revolution. „Die mit dem Bauernkrieg verbundenen Ziele und Werte wie Freiheitsrechte oder Mitbestimmung und der Wunsch nach demokratischen Entscheidungsprozessen haben nichts von ihrer Aktualität verloren,“ sagt Minister-präsident Winfried Kretschmann. Wo er recht hat, hat er recht. Luthers Reformation und die Erfindung der beweglichen Lettern zum Erstellen von Druckwerken waren grundlegend wichtig für die Aufstände. Oberschwaben gehörte zum Kerngebiet der Bauernkriegsbewegung.
„Schließlich koordinierten die Bauernführer auch ihre Forderungen und fixierten wohl noch am 7.März 1525 in Memmingen die berühmten „Zwölf Artikel“:
1. Freie Wahl des Pfarrers durch die Gemeinde, der das Evangelium ohne menschliche Zusätze predigen soll.
2. Abschaffung des Kirchenzehnten; dafür verpflichtet sich die Gemeinde, für den Unterhalt des Pfarrers aufzukommen.
3. Aufhebung der Leibeigenschaft; die Bauern verpflichten sich aber, in allen gebührlichen Dingen wie Steuern, Kriegs-dienst, Geboten und Verboten gehorsam zu sein.
4. Der Bauer erhält das Recht, in den Forsten der Obrigkeit für seinen eigenen Verbrauch zu jagen und zu fischen; dies darf nicht zu Erwerbszwecken und muss waidgerecht geschehen, kein anderer darf dadurch zu Schaden kommen.
5. Alle den Gemeinden abgenommenen Waldungen, die nicht durch regulären Verkauf an die Obrigkeit gefallen sind, werden zurückgegeben.
6. Die Dienstbarkeiten gegenüber der Herrschaft werden auf den früheren Umfang zurückgeführt, wie sie in den entsprechenden Verordnungen einst festgelegt wurden.
7. Die einmal festgelegten Dienste dürfen nicht erhöht werden und sind zeitlich so zu legen, dass sie der Bauer ohne Nachteil ausführen kann; sie sind darüber hinaus gebührlich zu verrechnen und gegebenenfalls zu bezahlen (wenn einer über sein Maß hinaus leistet).
8. Die auf den Anwesenden lastenden Abgaben sind zu hoch. Vertrauensleute haben sie neu einzuschätzen und das Steuermaß so anzusetzen, dass der Betrieb wirtschaftlich rentabel bleibt.
9. Alle Frevel werden nicht nach Gunst oder Missgunst abgestraft, sondern nach den bestehenden Vorschriften und nach vorausgegangener ordentlicher Gerichtsverhandlung, bei der Anklage und Verteidigung zu Wort kommen müssen.
10. Alle abgenommenen Gemeindewesen und -äcker (Allmenden) werden wieder zurückgegeben, es sei denn, sie wurden ordentlich durch Kauf erworben.
11. Der ‚Todfall‘ (Erbschaftssteuer der Leibeigenen) wird ganz abgeschafft, damit nicht Witwen und Waisen weiter-hin von der Obrigkeit geschädigt werden, die eigentlich für sie sorgen müsste.
12. Wenn einer dieser Artikel gegen Gottes Wort verstoße, so soll er nicht gelten, selbst dann nicht, wenn man ihn durchsetzen könne, vorausgesetzt, dass der Nachweis aus der Heiligen Schrift erbracht werde.“ (nach Dr. Klaus Schelle, Stuttgart)
Die Forderungen werfen ein Licht auf die damaligen Verhältnisse und beinhalten auch Kernforderungen für unsere heutige Zeit. Die Stärkung der Kommunen, die Erhaltung von Allmenden (heute oft Commons genannt).
Für die Region Lindau hat der Lindauer Historiker Charly Schweizer eigene Nachforschungen in einem Buch veröffentlicht. Das Buch ist reichhaltig bebildert und gibt einen guten Überblick über die Geschehnisse im Landkreis Lindau. Die regionalen Ursachen des Aufstandes, die Organisation der Bauern, die Kämpfe und die Niederlage werden mit vielen lokalen Bezügen geschildert. Der Historiker und ehemalige Kreisarchivar des Bodenseekreises Elmar L. Kuhn weist darin auf die Forderungen des Seehaufens in den „Rappertsweiler Artikel“, (zwischen Tettnang und Wangen), verfasst in Langenargen, hin, die dann in die „Zwölf Artikel“ Eingang fanden. Charly Schweizer hat auch die Stadt Lindau aufgefordert, dem Bauernkrieg durch eine Gedenkstele in Oberreitnau zu würdigen. Die Stadt hat dem zugestimmt und eine weitere Initiative in Lindau hat mit einer Spendensammlung einen zweiten Gedenkstein in Rickenbach ermöglicht. Am 21. Februar 2025 war die Einweihung der beiden Lindauer Bauernkriegsgedenksteine, einer in Oberreitnau (beim Freizeitzentrum) und eben jener in Rickenbach (Breite Straße/ Rickenbacher Straße) durch die Stadt Lindau.
Charly Schweizer: „Der Bauernkrieg 1525/26 in Stadt und Landkreis Lindau“, 120 Seiten, 77 Bilder. Auf www.edition-inseltor-lindau.de gibt es weitere Bücher von Charly Schweizer.
Das Land Baden-Württemberg würdigt den Bauernkrieg der Jahre 1524/1525 durch eine große Landesausstellung. Die vom Landesmuseum Württemberg konzipierte große Landesausstellung besteht neben einer kulturhistorischen Ausstellung im Kloster in Bad Schussenried auch aus einer interaktiven Ausstellung zu verschiedenen, auch aktuellen Protesten, sowie eine Kindermitmachausstellung in Stuttgart im Alten Schloss.
Ausstellung „PROTEST! Von der Wut zur Bewegung“ und Mitmachausstellung „Zoff“, Landesmuseum Württemberg, Stuttgart (bis 4.Mai 2025) – Ausstellung „UFFRUR! Utopie und Widerstand im Bauernkrieg 1524/25“ im Kloster Schussenried (26.April bis 5. Oktober 2025)
Infos: www.landesmuseum-stuttgart.de
– Dieter Koschek –
veröffentlich in Welle 112