50+1 Zukunftsgesprächs-Reflektionen
Das Internationale Kulturzentrum Achberg feierte seinen 50sten Geburtstag und blickte dabei in die Zukunft. Diese 50 Jahre Arbeit an und mit den Impulsen der Sozialen Dreigliederung haben reichlich Ernte gebracht: 27 gezählte Initiativen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum waren bei der Tagung im INKA anwesend. Zu beachten ist, dass das bestimmt nur der Teil ist, den ich wahrgenommen habe. Einzelne Menschen haben noch viel mehr Beteiligungen an Initiativen und Projekten. Dazu kommen dann die vielfältigen Verbindungen der einzelnen zu anderen Initiativen in den jeweiligen Regionen. Sehr auffallend war natürlich der „Omnibus für direkte Demokratie“ und der Kuppelbau von „european public sphere“ neben den Infotischen von Initiativen der Region am „Tag der offenen Tür“.
Für mich waren die Begegnungen am wichtigsten und am spannendsten. Dadurch wurde die Vielfalt der Initiativen noch durch die Vielfalt der Ideen, Urteile und Meinungen erfahrbar. Viele TeilnehmerInnen, in deren Herzen ich nicht schauen konnte, waren so wie ich eher passiv dabei, haben sich an den Gesprächen in großer Runde nicht beteiligt, haben zugehört und mehr bei den Tischgesprächen oder bei den Gesprächen in den 4er-Runden sich geäußert.
Die Inhalte waren weniger sichtbar. Ich habe sie vielmehr als Impulse aufgenommen, meine eigenen Überlegungen und Perspektiven zu reflektieren, zu überprüfen, zu erweitern und in Zusammenhängen wahrzunehmen.
Das große Ganze spiegelt sich im ICH wieder. Und der Einfluss des großen Ganzen ist nicht so einfach zu spüren wie die Initiative der Einzelnen. Die Entwicklung des Ichs, der „Iche“ und das Miteinander der verschiedenen Iche waren zwei der großen Aufgabenfelder für die hier anwesenden Initiativen und Menschen, deren Ideen, Gefühle und Initiativen dann in die Gestaltung des Sozialen Größeren münden. Die Wärme, die Liebe zwischen den Menschen war ein wichtiger Impuls.
Der Untergang der zentralistischen gottähnlichen und machtbasierten Systeme steht die Entwicklung des Ichs gegenüber und damit die Gestaltung des Sozialen. Der wichtigste Achberg-Impuls ist die Demokratiefrage, also das Miteinander der Iche. Und es war zu spüren, dass hier ein neuer Schritt in der Luft liegt. Wenn der Volksentscheid noch eine Mehrheitsentscheidung ist, so war das Sehnen nach einer Einmütigkeit, einem Erleben der Mitte, einem Etwas, mit dem alle leben können – ohne in Polarisierung sich gegenseitig zu übertrumpfen zu versuchen – , nach etwas, was in der soziokratischen Idee des Konsent sich zeigt. Nicht ein Kompromiss zwischen den Polen, sondern das gemeinsame Bemühen um das Gemeinsame, das allen Raum lässt.
Die Erde gehört niemanden, sondern wurde uns zur Verfügung gestellt. Jedoch haben die Menschen das nicht immer so gesehen, sondern haben sich die Erde untertan gemacht (vielleicht weil sie selber Untertanen sind/waren bzw. brauchten). War es vor der Industrialisierung noch weitgehend möglich, das die einzelnen Menschen von der Erde direkt leben konnten, veränderte die Industrialisierung diese Selbstversorgungsmöglichkeiten. So arbeiten die sozialistischen Bewegungen und die Soziale Dreigliederungs-Bewegung an Veränderungen, die die entwickelte Eigentumsidee wieder in ein gemeinwohlorientiertes Nutzen umwandeln wollen. Früher lebten die Menschen direkt von der Natur, heute müssen sie Geld verdienen und in einem Kreislaufsystem ihre Bedürfnisse befriedigen.
Eine „Erdrente“, ein sogenanntes bedingungsloses Grundeinkommen hat eine Faszination, die ich in dem Gedanken des „Grund- oder Bodeneinkommens“ begründet sehe. Auch die Bodenrente bzw. die Versteuerung dieser Bodenrente liegt diesem Gedanken zu Grunde.
Drei Grundimpulse waren für mich spürbar:
– die Entwicklung der ICHE
– der Dialog, das gemeinsame Gespräch als Element der Gestaltung des Sozialen
– die Verbindung mit der geliehenen Erde (Weltkugel – Humus, Wasser)
Ein Höhepunkt: die Performance der Gruppe „findandexpressyourself“ am Freitagabend, die die acht Gruppenmitglieder den ganzen Nachmittag über miteinander vorbereitet hatten. Ein Schwert, Kartons mit den Lasten, die uns drücken, Anonymous-Masken und zwei Protagonistinnen, die die Mauer um uns herum einstürzen lassen – haben beeindruckt und das Publikum zum Nachdenken und zur Diskussion gebracht… über die Aktion, über uns und darüber, wie Kunst und Kultur am Beispiel Beuys zum Weckmittel, zum Aufrüttler, vielleicht sogar zur Medizin werden kann…
Und dann – mittendrin – die Entwicklung auf dem Hügel. Eine für mich erstmal unklare Rechtssituation, Verein – GbR – Stiftung?, Kleiner Kreis – Großer Kreis? Es wurden Perspektiven vorgestellt, jedoch nicht die Rechtssituation erklärt. Vielleicht erklärt das ja die Verunsicherung, die dann im TeilnehmerInnenkreis durchwaberte. Neue Ideen gefährden irgendwie auch das Alte, so wurden dann nicht die neuen Ideen diskutiert, sondern das Alte verklärt (zum Zuhause, bzw. dessen Gefährdung), das klare Denken verwässert, das Anthroposophische Menschenbild (wie wird das denn definiert?) gefährdet gesehen – es schwappten Ängste vor Verlust von Gewohnheiten, vor neuen Perspektiven, vor Änderungen der Blickwinkel durch die Gespräche, die das Bild letztlich etwas unübersichtlich gestalteten.
Es wurde auch über die Zukunft gesprochen. Eine Neugestaltung des Zeltplatzes mit Außenküche und – toiletten /duschen, mit Werkraum und Unterstellmöglichkeiten wurde konkret genannt (da läuft bereits eine Beantragung von Stiftungsmittel), die Schaffung von „Art in Residence“-Möglichkeiten, also Zeit und Raum für Künstler im Humboldthaus zu schaffen. Dafür sind auch schon Menschen gefunden.
Personell noch nicht wirklich auf dem Weg ist die „Akademie für Beteiligung“. Ein Arbeitstitel, der wenig Begeisterung fand und auch als Gefährdung der bestehenden Tagungsarbeit des INKAs aufgefaßt wurde. (Soll unsere bisherige Arbeit an den Impulsen der Sozialen Dreigliederung durch Methoden der Partizipation ersetzt werden?) Durch diese Akademie sollen die vielfältigen Methoden der Partizipation (für mich eine umfassendere Auffassung von direkter Demokratie) kennengelernt und erlernt werden können. Diese Akademie soll das Angebot im Humboldthaus erweitern und ergänzen. Neue Aktive und neue „Zielgruppen“ sollen das INKA verjüngen/erneuern helfen. Es besteht hier also noch Gesprächsbedarf.
Weiters die Notwendigkeiten der Gestaltung des „Waldes“, der energetischen Sanierung des Gebäudes sowie die Modernisierung des Hotelbetriebes.
Und die Kunst? Die Tagung war eingebettet in die Kunst. Bereits beim Tag der Offenen Tür bot Frank Fischer die Möglichkeit der ‚wERDschätzung‘ an. Einige Teilnehmer nahmen die Gelegenheit wahr und suchten auf dem Gelände Flecken aus, denen sie ihre Wertschätzung verdeutlichten.
Der Abschluss der Veranstaltung fand in zwei Aktionen statt. Zum einen wurde unterhalb des Hügels eine Eiche mit Stele gemeinsam mit der Gemeinde Achberg gepflanzt. Damit wurde an dem gleichzeitigen weltweiten Erdfest gleich doppelt teilgenommen. Den Schluß bildete die Vernissage der Ausstellung „Joseph Beuys, Hanns Hoffmann-Lederer, Maria Keller – Drei Künstlerpersönlichkeiten in ihrer Verbindung zu Achberg und dem Internationalen Kulturzentrum“.
Für die Planung der nächsten Tagung wünsche ich mir noch mehr Zeit für Gespräche in Kleingruppen. Und vielleicht kommen wir ja wieder zum Bearbeiten des Resonanzbodens für die Impulse der Sozialen Dreigliederung, die wie die Samen des Löwenzahns über die Welt fliegen.
Dieter Koschek
erschienen in jedermensch 704