Juni 21, 2021

Freiheit, Gleichheit und Zusammenarbeit – ein Woodstock der Ideen

Der gleichnamige Katalog zu der Ausstellung „Joseph Beuys, Achberg und der deutsche Süden“ ist ein wunderschönes, kluges und inspirierendes Buch. Viele Bilder der sechziger und siebziger Jahre, zusammen mit einer Biographie und einem Ausstellungsverzeichnis, führen durch die 25 Jahre, in denen Beuys mehr gesellschaftspolitisch gehandelt hat. Seine Werke, seine Performances und seine Multiples werden durch fünf Kapitel untersucht und dargestellt. „Der Süden“, „Gesellschaft“, „Geld“, „Diskussion“ und „Erkenntnis“ heißen die Kapitel und jedes für sich ist tatsächlich ein Feuerwerk der Ideen.
So wird stark an seine „Organisation für direkte Demokratie“ erinnert, seine Kritik an dem Bildungswesen führt zur „Freien Internationalen Universität FIU“, beides Ideen, die heute noch auf ihre Verwirklichung warten und an der verschiedenste Initiativen arbeiten.
Die Frage nach einer politischen Einflussnahme führte zuerst bei Beuys zu einer Initiativenarbeit, dann zur Gründung der Partei „Die Grünen“, dann wieder zu einer Herausnahme aus dem Parteiwesen, eine Entwicklungsgeschichte, in der sich viele Grüne und ehemalige Grünen wiedererkennen werden.
„Jeder Mensch ist ein Künstler“ – in dieser weltberühmten Aussage gipfelt seine Aufforderung, dass jeder Mensch sich gestalterisch an der „Sozialen Plastik“ kreativ und engagiert beteiligen soll und kann. Wie wahr. Beuys drückt dadurch die Zukunft des demokratischen gesellschaftlichen Lebens aus. Jedes „ICH-Bin“ beteiligt sich am Gelingen des sozialen Miteinanders.
Diese beiden Menschheitsentwicklungsprozesse können heute beobachtet werden. Mit Widersprüchlichkeiten und Ungleichzeitigkeiten, in verschiedenen Ländern, in verschiedenen Generationen und in verschiedenen Initiativen und Prozessen gleichzeitig. Zur Einordnung wendet er das Ideengebäude der Sozialen Dreigliederung an, als Rahmen und Struktur, gleichzeitig als Ideen- und als Impulsgebendes. Zum Geld, zur Konkurrenz im Leben, zur Forschung…
„Eigenständiges Denken und Erkenntnisprozesse galten dem Künstler als grundlegende Voraussetzungen zur Verwirklichung der Freiheit, die er als zentrales Wesensmerkmal des Menschen ansah“, erkennt Barbara Martin zum Schluss des Buches. Dass dieser Erkenntnisprozess ein durchaus künstlerischer Weg ist, zeigt Kirsten Claudia Voigt: „Beuys erprobte unermüdlich und spielerisch Bedeutungsumfänge und -verschiebungen, erschloss sich Begriffe systematisch…. Merk- und Besorgungszettel, Ideenskizzen auf bedruckten Papieren, Werk- und Namenslisten, festgehaltene Wort- und Satzfetzen, Notate zur Vorbereitung von Reden und Vorträgen, Gedichte, Briefe, Postkarten, kommentierende Beschriftungen entstanden alltäglich.“ Denn er wußte „Kunst = Kapital“!
Was mich besonders freut an dem Buch, ist, dass Peter Schilisnki und sein Wirken in den sechziger und siebziger Jahren, hier besonders die Zeitschrift Jedermensch, damals Jedermann und seine Forschungen zur Sozialen Dreigliederung in ihrem Stellenwert gewürdigt werden.
Mein Dank gilt Rainer Rappmann und den Ausstellungmacherinnen und den Autorinnen der Beiträge in diesem Buch.
Dieter Koschek
erschienen in jedermensch 699
Das Buch kann direkt über Rainer Rappmann und fiu-verlag.com bezogen werden.

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