Dezember 21, 2019

Eine neue Spiritualität

Vorneweg, ich habe nur ein blasse Ahnung von Geisteswelten und Spiritualität. Aber ich verstehe mich als ein Suchender und bemühe mich hier neue Wege zu gehen, die meinen Horizont erweiteren, das glaube ich sehr wohl, dass mein Horizont beschränkt ist und es Möglichkeiten gibt ihn zu erweitern.

Zum einen wurde der neuen Sozialen Bewegung, dem gewaltfreien Bündnis „Extinktion Rebellion“ (das Formen des zivilen Ungehorsams anwendet) vorgeworfen, sie seien eine esoterische Gruppe, vor der gewarnt werden müsse. Ich habe diese Gruppe durch die Presse als eine Aktionsgruppe wahrgenommen, die sich mit Tun zur Klimakrise positioniert. Auch einige Aktiven am Bodensee kenne ich persönlich und sie sind nicht verdächtig, irgendwelche, gar rechte Spinner zu sein. Die taz griff die Vorwürfe an und befragte Aktivisten dazu. Was tun diese, um diese Vorwürfe sich einzufangen?

Sie meditieren, sie suchen Kraft in der Ruhe, Ängste werden ausgesprochen (auch vor dem Ende der Menschheit), Verbundenheit wird gesucht. Eine Aktivistin wird zitiert: „Wenn Spiritualität die Liebe zum Leben und zur Natur ist, dann sind wir eine spirituelle Bewegung.“ Extinktion Rebellion beruft sich auf eine „regenerative Kultur“, die darauf baut, dass sich alle, der Mensch, die Gesellschaft und die Natur sich Stück für Stück weiterentwickeln und verbessern.

Hier findet sich eine neue Spiritualität, die anders klingt, als die esoterischen Lehren von Gurus und Meistern, obwohl diese auch meist nicht weit davon entfernt sind.

Wie auch immer, die Autonomie des Menschen, sein freier Wille muss dabei gewährleistet sein.

Aber auch die vielbeschworene Indiviualität kann nicht so weiter gehen. Das einzelne Individuum befindet sich ja nicht in einem luftleeren Raum, sondern in einem sozialen Gefüge. Dafür muss das Individuum ein Verständnis entwickeln. Hier ist es hilfreich, sich über die Grenzen des Außen hinwegzusetzten. Die Einzelne braucht hier Wege zu seiner Innenwelt, zu Selbst- und Menschenerkenntnis, wie schon Peter Schilinski sagte. Und das geht deutlich über „ich denke und deshalb bin“ hinaus. Dazu gehört auch in meiner Vorstellungswelt die Verbundenheit mit meinen Mitmenschen, der Natur und dem Kosmos.

In der tiefen Ökologie finde ich weitere Ansätze, die ich für mich als richtig und wichtig empfinde. Die Erde ist ein lebendiger Organismus, in dem alles miteinander verbunden und voneinander abhängig ist und in dem jedem Lebewesen sein Eigenwert zukommt. Bei dieser spirituellen Sichtweise bin ich doch gleichzeitig Teil einer weltweiten Bewegung für soziale, kulturelle, ökonomische und ökologische Veränderungen. Ich sehe meine persönliches Wachstum im Sinne eines “In-Beziehung-Seins” mit allem Lebendigen als wichtigen Teil meines Kulturverständnisses. Dafür gibt es aber weder Rezepte, noch ultimative Wahrheiten.

Dafür braucht es aber neue Erfahrungsräume, indem wir fragen, was und wer wir sind, woher wir kommen, wo unser Platz im größeren Zusammenhangs des Lebens ist und was unsere Verantwortung als heutiger Mensch in diese Phase der Entwicklung ist.

Im Eulenspiegel gibt es einen Lesekreis, der Texte von Rudolf Steiner liest, der selber sagt, dass ich mich keiner Autorität ergeben soll, sondern selber denken muss. In den Gesprächen darüber, wie jede die Texte versteht oder sie mit seinem Leben in Verbindung bringt, kommen immer wieder Ideen zum Vorschein, die nicht neu sind. Selbsterkenntnis, Menschenkenntnis, Verständnis des Sozialen…

Aber auch dass es eine absolute Freiheit in der Spiritualität geben muss. Bei Steiner ist das eine Kritik an den Religionsgemeinschaften und den Kirchen (Überwindung der Gruppenseele). Jeder einzelne muss seine eigenen Gedanken und seinen eigenen Zugang dazu entwickeln.

Meine Zugänge sind dabei ziemlich verschieden.
In meinem letzten Urlaub war ich bei einem barocken Konzert, das Gallilei Gallileo gewidmet war. Dabei wurden Fotos der NASA auf eine große Leinwand projeziert. Nebel, Sternbilder, Galaxien – alles mehrere, ja Millionen Lichtjahre von unserer Erde entfernt. Ich hatte solche Bilder noch nie gesehen. Sie lösten bei mir Bescheidenheit und Demut aus. Was bin ich dagegen? Aber auch: Was wissen wir schon vom Universum? Und welchen Stellenwert hat dabei eine Kritik, ich sei spirituell oder esoterisch? Was bedeutet es angesicht dieses Universum, wenn ich mich in ein politisches Streitgespräch verwickelt sehe. Wer hat Recht? Selbstverständlich muss ich mich in dieser Welt positionieren, doch kommt es nicht darauf an Recht zu haben, sondern Verständnis für den anderen Menschen zu entwickeln. Oder Urteile zu fällen, überhaupt und über Menschen die meditieren?

Es ist allgemein anerkannt, dass Meditation (in aller Vielfalt) ein Weg dazu ist. Dazu gibt es viele Möglichkeiten. Ich bevorzuge die 10-Sekunden-Meditation, wenn ich mit der Österreichischen Bundesbahn am Bodenseeufer entlangfahre. Das sind gefühlt zehn Sekunden, in denen ich auf die weite Wasserfläche schaue, der verschwindende Horziont die Unendlichkeit in sich trägt und ich mich für die kurze Zeit mit dem See verbinde.

Eine andere Art der Verbundenheit zeigt der Quantenphilosoph Ulrich Warnke auf. Es sagt, wir bestehen fast nur aus Vakuum (zwischen den Zellen und Atomen….) und dadurch sind wir mit dem Universum verbunden, das ebenfalls aus viel Vakuum besteht. Im Vakuum sind Informationen und Energie. Und die sind überall zugänglich und verbunden. Im Universum sehr viel, in mir eher wenig – aber es gibt einen Austausch, eine Verbindung für mich über das Universum zu allen Menschen.

In dem Buch klingt das fast physikalisch, also als ein Naturgesetz. Ich bin beeindruckt. So einfach kann Verbundenheit im Geistigen sein.

Und es gibt noch mehr Verbundenheit. In seinem Film „Der Krieg in mir“ berichtet der Filmemacher Sebastian Heinzel von seinen Kriegsträumen, die er als eine Verbundenheit mit seinem Großvater versteht. Ein Traumaexperte erklärte ihm, dass neue Forschungen aus der Epigenetik Hinweise darauf geben, dass enorme Stresserfahrungen das Erbgut verändern. Es sind Erkenntnisse, die deutlich machen, welches Erbe die Nachfahren auf ihren Schultern tragen – oftmals ohne sich dessen bewusst zu sein. Davon sprechen schon die Indianer. Die Verbundenheit mit meinen Ahnen.
Und von da ist es dann nicht mehr weit, um die Frage „Woher wir kommen?“ in den Blick zu nehmen.

Gibt es ein Leben vor dem Geburt und eines danach? Gibt es Inkarnationen? Bei meinen bisherigen Überlegungen scheine ich diese Frage mit Ja beantworten zu müssen.

Der wichtigste Schritt ist dabei aber von diesem Wissen hin zu einer lebendigen Erfahrung zu kommen. Und das geht nur über dem Ahnen, Spüren und Fühlen in der eigenen Innenwelt, durch Meditation, Naturerfahrungen oder dem Erkennen der Intuition, der Horchen auf die eigene innere Stimme. Üben, üben,üben.

Dieter Koschek
erschienen in jedermensch 693

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Cookie Consent Banner von Real Cookie Banner