Juli 21, 2023

Peter Schilinski


Da ich in meinen Beiträgen öfters Bezug auf Peter Schilinski nehme, wurde ich gefragt, wer denn dieser Herr eigentlich sei. So möchte ich versuchen eine persönliche Beschreibung zu geben und darzustellen, warum Peter für mich so wichtig ist.

Peter wurde 1916 in Berlin geboren, er starb 1992 in Wasserburg.

Peter war lebenslang ein politischer Mensch, erst Marxist und nach dem 2. Weltkrieg 1945 dann „Dreigliederer“. Damals reiste er durch die Republik zu vielen bekannten Anthroposophen, um die Idee der Dreigliederung wieder zu beleben, aber er wurde enttäuscht. Trotzdem engagierte er sich bereits 1951, wie im Beitrag zu Mehr Demokratie zu lesen ist, für die direkte Demokratie und gegen die Wiederbewaffnung.

1954 gründete Peter Schilinski mit anderen zusammen eine erste Lebens-, Wohn- und Arbeitsgemeinschaft in Witthüs auf der Nordseeinsel Sylt. Dort arbeitete er mit Freundinnen (u.a. Ulle Weber) an der Idee der Sozialen Dreigliederung in Form von Lesekreisen und Rundgesprächen. Um diese Arbeit zu vertiefen, entstanden in der Folge mehrere Arbeitskreise in ganz West-Deutschland. 1958 rief er die die Zeitschrift „Zeitkommentare für jedermann“, ins Leben, die ich heute zusammen mit Freund*innen als „Jedermensch“ weiterführe. Der Jedermann war das Medium der Dreigliederungsbewegung der 60er und 70 Jahre, eine Zeitlang sogar das offizielle Organ der Arbeitsgemeinschaft für soziale Dreigliederung. Durch diese Zeitungsarbeit inspirierte er viele Menschen zu einem sozialem Engagement. Unter anderem setzte er damit den Impuls für die ‚Info3‘.
Das ‚Witthüs‘ auf Sylt war zuzusagen der Prototyp für eine Teestubenbewegung, die in den 60er und 70er Jahren sich im deutschsprachigen Raum verbreitete. Nach einer Zwischenstation in den „Witthüs-Teestuben“ in Hamburg wurde 1971 das ‚Internationale Kulturzentrum Achberg‘ (INKA) als „Zentrum der Dreigliederer“ zusammen mit Wilfried Heidt, Ulle Weber und Fred Lauer gegründet. Etliche weitere soziale Zentren in Deutschland könnten sich auf die Impulse von Peter berufen.
1975 verließ Peter das INKA und – nach kurzem Aufenthalt in der „Alten Post“ in Hergensweiler – wurde das „Modell Wasserburg“, die Gaststätte „Zum Eulenspiegel“, wiederum als Arbeits- und Lebensgemeinschaft, zu seiner letzten Wirkensstätte, zu der ich im Jahre 1986 einen ersten Zugang fand.
Ich habe Peter also „nur“ 6 Jahre begleiten dürfen, doch sein Denken und Wirken hat mir lebensbegleitende Impulse mitgegeben. Während die Soziale Dreigliederung für mich ein Gerüst für meine politische Arbeit wurde, ist diese vor allem durch Peter Schilinskis Denken inspiriert. Er hat für mich früh deutlich gemacht, dass es nicht eines Modells bedarf, die Gesellschaft neu zu gestalten, sondern dass es die Menschen selber machen werden. Soziale Dreigliederung kann man nicht einführen. So verstand er „Bedürfnisorientierung“. Wenn die Menschen an sich selbst und an ihrer sozialen Gemeinschaft stetig arbeiten, dann werden die Impulse der Sozialen Dreigliederung Gestaltung erfahren. Natürlich war für ihn eine Grundlagenarbeit auf anthroposophisch orientierter Basis wichtig, aber es standen die Beziehungen zwischen den Menschen im Vordergrund. Er führte ein freies Beziehungsleben, das ihm immer wieder Widerspruch und Ablehnung einbrachte, aber der Grundgedanke bei ihm war, dass Liebe und Wahrheit zusammen gehöre, sonst habe die die gesamte politische Arbeit keinen Sinn.

Peter war ein Volksaufklärer, er versuchte seine Erkenntnisse immer in einer leicht verständlichen Sprache vorzubringen und setzte meist bei den Impulsen seines Gegenüber an. Da lehrte er aktives Zuhören, Interesse am anderen und Achtsamkeit, wobei er sich selbst als Suchender und Übender verstand.

Auch als Anthroposoph war Peter immer ein politischer Mensch. Es verstand Politik als soziales Engagement – und war ein erklärte Gegner von Parteien, in denen er kein Element einer demokratischen Entwicklung sah. Eher in Volksabstimmungen, die er aus Steiners Schriften „herauslas“, was ja in der Arbeit der „Achberger“ für die dreistufige Volksgesetzgebung gipfelte.

Vor allem aber in einem lebendigen Miteinander von Lebens- und Arbeitsgemeinschaften. „Kommunikation“ war für ihn ein Schlüssel. Und doch spürte er wie kaum ein anderen den eigenen inneren Widersprüchen nach:

„Meistens geh ich ans Wasser, wo möglichst viel Wasser ist, wo kleine Wellen sind, wo es gluckst, ganz zart und lieblich wispert, wenn eine kleine Welle einen Stein streichelt, sich vollendet um ihn und an ihn schmiegt, so zärtlich, wie es nur die können, die sich wirklich lieben, eigentlich noch vollendeter, umfassender, „runder“, einfühlsamer, Steine sind oft ganz glatt, und Wasser kann den Stein so unglaublich ruhig und voll umfassen. Ich kann das wahnsinnig genießen, bin ganz „weg“ von dem Anblick, noch mehr von dem Gefühl, wenn ganz kleine Wellen ans Holz des Bootskörpers gelangen – das Geräusch kann ich gar nicht beschreiben, ist zum Ausflippen, das Gefühl, das ich dabei habe. Und dann wieder steh ich am Wasser und finde alles grau und öde. Nichts rührt sich in mir. Warum muss ich immer bloß ans Wasser gehen? Da ist doch gar nichts!“

Peter führte seit dem Lesen der „Kernpunkte“ 1945 ein Leben im Gespräch. Er „erfand“ das „öffentliche Rundgespräch“, von denen er in Hochzeiten drei pro Woche durchführte, dazu kamen kleinere Arbeits- und Lesekreise zu politischen und persönlichen Themen. Tag für Tag las er unzählige Zeitungen und Zeitschriften und schrieb für die eigene Zeitschrift, die manchmal fast nur aus Texten von ihm bestand.

Er liebte das Wasser, war begeisterter Segler und kam auch deshalb zuletzt an den Bodensee. Der Eulenspiegel, den er zusammen mit Ingrid Feustel und Anderen 1976 gründete, war für ihn das „Modell Wasserburg“, das kleine Modell der Sozialen Dreigliederung. In täglichen Kreisgesprächen und Lesungen von Steiners Texten arbeitete die Gruppe an Kapitalneutralisierung, Gleichheit, einem Wirtschaften nach Bedürfnissen und Fähigkeiten und vielem mehr. Diese Arbeit an der individuellen und sozialen Entwicklung ergänzte die politische Arbeit mit und in den Neuen Sozialen Bewegungen. Er kämpfte mit seinen Freunden für die direkte Demokratie, gegen die AKWs, für Frieden und Gerechtigkeit – aber auch gegen die Korruption der bürgerlichen Parteien.

Peters Wirken und die seine Wirkungen können heute noch im Eulenspiegel wahrgenommen werden.

Dieter Koschek
erschienen in welle 107

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