Ein wiedererwachtes Gespenst geht um in Europa und in der ganzen Welt. Es ist ein Phänomen, dass in vielen Staaten der Welt die Rechtspopulisten stark zunehmen und in einigen Ländern auch bereits an der Macht sind.
So erschreckend diese Tatsache ist, wir müssen sie zur Kenntnis nehmen. Meine Reaktion darauf ist meist, das geht vorrüber, doch sieht es momentan nicht nach einem schnellen Ende des Spuks aus. In Deutschland hatten wir schon die NPD oder die Republikaner in einigen Parlamenten, die sich aber bald in internen Streitigkeiten um Posten und Ideen selber zerrieben haben. Auch in der AfD sind heute solche Tendenzen sichtbar. Auch wenn dieser Rechtspopulismus keine Zukunft haben wird, ist es wichtig, sich damit zu beschäftigen, woher die Erfolge kommen. Der Anfang des Aufstiegs machte die Flüchtlingspolitik von 2015. Über 1,5 Millionen Menschen, vor allem aus dem Bürgerkriegsland und Diktatur Syrien kamen nach Deutschland und wurden anfangs herzlich willkommen geheißen. Doch viele Fremde machen auch Angst. Die Gruppen jugendlicher Araber an den Bahnhöfen, zusammen mit Sensationsmeldungen der Medien über Morde und andere Straftaten liessen die Stimmung kippen.
Eine Idee ist die der jahrtausendlangen Gruppenzugehörigkeit von Menschen. Clans, Sippen, Großfamilien, Stämme und Völker fordern ihren Tribut. Du gehörst nicht zu uns. Diese Grundtendenz zusammen mit mächtigen Gefühlen erzeugen eine Wut auf PolitikerInnen, die das anders sehen und anders handeln. An erster Stelle steht hier Angela Merkel.
Diese Abschottung zeigt sich auch bei Donald Trump mit dem Slogan „America first“ und seiner unerklärlichen Zollpolitik innerhalb des Welthandels. Auch der Brexit kann in diese Reihe gestellt werden.
Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl führt aber in die Irre. Schon die Frage, wer denn dann dazu gehört, zeigt ein offensichtliches Problem. Nur wenige erfüllen die Kriterien, die wiederum nur von wenigen aufgestellt werden. Diese Meinungshierarchie führt zwangsläufig zu Konflikten innerhalb der Gruppe. Teile dieser Bewegung müssen dann zu Gewalt greifen und Andersdenkende angreifen. Die sind dann ähnlich gestrickt wie die radikalen Islamisten, die sie dann mit Gewalt bekämpfen.
Aber heute geht es wesentlich schneller, dass die Ausgegrenzten dies auch bemerken und sich dagegen stellen.
Wenn ich meine eigene Gruppe stärken will, dann geht das heute vermeintlich nur noch mit Gewalt. Mit Ideen und Visionen kann man dies nur vorübergehend erreichen. Denn auf dem geistigen Gebiet ist Freiheit das geltende Prinzip – und das verhindert, dass hier wieder ein tausendjähriges Reich entstehen wird.
Vielleicht sind wir geschockt und können es uns gar nicht mehr vorstellen, dass eine rechte hetzerische Bewegung solche Erfolge haben kann, doch bald wachen die eingeschlafenen Geister auf und werden selber aktiv. So geschehen an der großen Demonstration im September 2018 in Berlin ‘ungeteilt’. Etwa 250 000 Menschen demonstrierten für eine menschliche Politik. Ein ähnliches Phänomen findet gerade in Vorarlberg statt, wo mehrmals im Monat am Sonntag sich über 1000 Menschen zu einer Demonstration gegen eine menschenfeindliche Asylpolitik einfinden.
Ein weiterer Aspekt, der gegen diese nationalistischen Tendenzen spricht, ist der Welthandel, die Globalisierung. Es ist hinzunehmen, dass heute der Handel nicht mehr innerhalb einer „Nation“ zu bewerkstelligen ist. Da reicht ein Blick auf unseren Frühstückstisch. Oder auf die Straßen mit den weltweiten Modellen der Autos und der eingebauten Technik.Selbst Donald Trump muss hier lernen, dass America first nicht ausreicht, wenn er sich in seine nationalen Grenzen einschließt. Dasselbe spüren auch die Briten. Durch eine Erhöhung der Konkurrenz ein Mehr an Erfolg zu erhoffen, ist in einer Welt der internationalen Machtkonzentration und globalen Handelwege ein sinnloses Unterfangen.
Doch was kann die aufgeklärte Menschheit dem entgensetzen? Es reicht ja nicht zu sagen, wir wollen den heutigen Stand der demokratischen Entwicklung erhalten – und freuen uns, wenn wir uns mit der EU-Bürokratie herumschlagen dürfen.
Auch wir Anhänger einer offenen Gesellschaft müssen uns fragen, wie denn eine gewollte Zukunft aussehen kann. Die Schlagworte sind ja allseits bekannt. Kooperation, Freiheit und gleiche Rechte in der ganzen Welt umzusetzen. Und das, was wir heute schätzen: Wohlstand, Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit, Rede- und Religionsfreiheit, Gleichberechtigung, reicht allein nicht aus, wenn sich die Gegensätze zwischen Reich und Arm ins Unübersehbare steigern. Wenn die Macht Einzelner ausreicht, um die natürlichen Lebensgrundlagen zu zerstören, und die Ignoranz unserer gewählten Vertreter himmelschreiend wird.
Aber auch im Kleinen wird es zunehmend schwieriger miteinander klarzukommen. Die Vielfalt der Gedanken und Egoismen in einer Gruppe zu einer Gemeinsamkeit zu bringen ist mehr als schwierig. Oft sind die Gespräche nicht auszuhalten, weil jeder glaubt, er hat recht.
Ein freier Mensch ist oft das Ideal, doch wie kann ein freier Mensch eine Partnerschaft zwischen Mann und Frau so gestalten, dass es zwei freie Menschen sind und eben doch eine Partnerschaft. 40 Prozent Singlehaushalte und Scheidungsraten zeugen von der Schwierigkeit damit.
Der jedermensch versucht ja seit über 60 Jahren, Beispiele zu zeigen und Wege aufzuzeigen. Peter Schilinskis Ansichten und Handlungen sind heute aktueller denn je.
Es bleibt dabei, beim aktiven Zuhören, im Gespräch auf Augenhöhe, im Respektieren der anderen Meinung und der anderen Menschen, die Ideale und Visionen nicht aus den Augen zu verlieren. Und selbst dieses, das Aus-den-Augen-verlieren, zu erkennen und daran, wie an anderen eigenen Schwächen, zu arbeiten, zu üben und versuchen diese zu überwinden.
Das kann leichter sein, wenn sich die Menschen zusammenschließen, in kleinen, dialogbereiten Gruppen mit Interesse am anderen.
Seien wir mutig und finden uns nicht mit dem anscheinend Selbstverständlichen ab, sondern feiern den Unterschied in Gemeinschaft und die Freiheit im Sozialen.
Hier fängt die Zukunft einer neuen Gesellschaft und eines neuen Miteinanders an.Das schwedische Mädchen Greta Thunberg hat mit ihrem Schulstreik ein Beispiel gegeben. Lassen wir weitere folgen. Und ich bin überzeugt, dass es bereits viele Beispiel gibt, die es nie in die Medien schaffen.
Dieter Koschek
erschienen in jedermensch 690